Anerkanntes Kulturdenkmal von besonderer nationaler kultureller Bedeutung und Träger des Europäischen Kulturerbe-Siegels

Evangelische Kirche in Mitteldeutschland

Zur Geschichte und Restaurierung der Fenster

Das aktuelle Restaurierungsprojekt beschäftigt sich mit den Glasmalereien der vier Chorfenster in der Evangelischen Augustinerkirche zu Erfurt. Die Klärung der Ursachen, die seit der letzten Restaurierung in den Jahren 1980-83 zum Fortschreiten der Schäden an Glassubstanz und Malerei geführt haben sowie die zusammenhängende Betrachtung von umweltinduzierten Schadpotentialen sind Inhalt des sechsjährigen Projektes.

Die Auseinandersetzung mit dem materiellen und ästhetischen Bestand der Chorfenster dient dem Erkennen und Akzeptieren der ursprünglichen Gestaltungsidee. Es gilt die Ursachen der verschiedenen Schadphänomene im Zusammenhang mit der umgesetzten künstlerischen Technik und den verwendeten Materialien zu klären, die Wechselwirkung von Raumluft, Bauwerkshülle, Außenklima und Nutzung zu bestimmen, um sich der gestalteten Oberfläche mit ihren wesentlichen Bildinformationen und deren Bildkomposition zuwenden zu können.

Die Augustinerkirche verfügt über einen hochwertigen Bestand an mittelalterlichen Glasmalereien aus dem frühen 14. Jahrhundert, die in Teilen zu den ältesten Glasmalereien der Stadt Erfurt gehören. Das heutige Erscheinungsbild ist wesentlich geprägt von einer Restaurierungskampagne in den Jahren 1936-38, ausgeführt von der Firma Weitzel aus Coburg. In dieser Zeit ist der noch vorhandene mittelalterliche Bestand der Augustinerkirche aus ehemals sieben Fenstern in die vier Chorfenstern eingefügt, ikonografisch neugeordnet und durch eine Vielzahl an neuangefertigten Scheiben komplettiert worden.

Wesentlich scheint dabei die Tatsache zu sein, dass man ganze Felder aus dem mittelalterlichen Bestand herausgenommen und über den Kunstmarkt weiterverkauft hat. Die Recherche zu deren Verbleib und der Vergleich des Erhaltungszustandes dieser Felder, die unterschiedlichen Umgebungs- und Klimabedingungen wie auch restauratorischen Eingriffen ausgesetzt gewesen sein dürften, ist ein Aspekt der Projektarbeit, um Hinweise zur Schadensentwicklung zu erlangen.

Die Gründe für deren Veräußerung mögen unterschiedlich sein und können nicht im Einzelnen Aufgabe der Recherche sein, jedoch ist die Art und Motivation zur Schließung der fehlenden Scheiben wichtig, um den heute erhaltenen Gesamtbestand klären zu können.

So ist ein wesentlicher Projektbestandteil die kunsttechnologiegeschichtliche Betrachtung, die ikonografische Einordnung und die Datierung der verschiedenen Glasmalereifelder, die von den Betrachtungen zur Bauforschung, Regionalgeschichte aber auch historischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen begleitet werden müssen, um ein möglichst breites Wissen zur Bewältigung der Aufgabe Glasmalereikonservierung und -restaurierung zu erlangen. Dieses Wissen um das Objekt wird sich in der anzuwendenden Restaurierungsmethode/ und -technologie und schließlich in der späteren Präsentation und Neuordnung des Bestandes widerspiegeln.

Die eingesetzten Restaurierungsmaterialien wie verschiedene Klebematerialien Kitte und Kaltbemalungen und deren technische Eigenschaften sowie alterungsbedingte Verhalten stellen Restauratoren vor neue Herausforderungen. Hinzu kommen fehlende Dokumentationen, die Aufschluss über verwendete Materialien geben könnten.

Neben den komplett neuangefertigten Glasmalereifeldern hat man 1936-38 eine Vielzahl an Ergänzungen in mittelalterliche Gläser eingefügt. Deren optisches Erscheinungsbild wird heute durch unterschiedliche, als störend empfundene Helligkeitsunterschiede in den einzelnen Gläsern, geprägt. Den ersten Erkenntnissen nach, ist dieser Umstand auf aggressive Reinigungsmethoden der letzten Restaurierung 1980-83 der Korrosionskrusten auf den mittelalterlichen Gläsern zurückzuführen. Dadurch erscheinen die 1936-38 an einen wesentlich dunkleren Erhaltungszustand angeglichenen Ergänzungen heute wesentlich dunkler als der mittelalterliche, umliegende Bestand.

Die Entwicklung einer geeigneten Methode im restauratorischen Umgang mit den, in ihrer handwerklich, maltechnisch und inhaltlich sehr gut ausgeführten Glasergänzungen wird ein wesentlicher Aspekt der Konzeption sein. Grundlegend ist es dazu wichtig, die eingesetzten Technologien und verwendeten Materialien zu erforschen und deren Schadentwicklung zu erkennen.

Dieser Fakt ist ebenso wichtig bei der Betrachtung der Glasergänzungen aus einer weiteren Restaurierungsmaßnahme am Bestand um 1949. Dabei wurden die in situ belassenen und bei einem Luftangriff 1944 zerstörten mittelalterlichen Maßwerkscheiben durch neuangefertigte Felder ersetzt. Die eingesetzten Farbgläser, schlecht eingebrannten Malschichten und verschiedene kaltaufgetragenen Malschichten zeigen wiederum anders gelagerte Problemstellungen auf. Die Felder dieser Zeit weisen eine andere handwerkliche Ausführung und damit ästhetische Wirkung als der Bestand von 1936-38 und der mittelalterliche Bestand auf. Hinzu kommt eine veränderte Ästhetik der Glasmalerein aufgrund von Kaltübermalungen, die ein besonders konservatorisches Problem aufgrund von sich ablösenden Malschichten und damit Herunterreißen der älteren Malschichten, darstellen.

i.A. Kathrin Rahfoth und Nicole Sterzing Erfurt, 22.05.2014